REZENSION
                             
       

Eine Frau lachte…

Ives & consequences bei der Maerzmusik in der Philharmonie Berlin -- rezensiert von MaWozniak

   
       
    Drei Jahre haben die MaerzMusik -- das Festival für aktuelle Musik -- inzwischen zu einer Institution gemacht -- es gibt schon Auftragswerke… Eines davon, Tristan Murails Neues Werk für Orchester, Concertino und Zuspiel, wurde am 20. März 2004 in der Philharmonie kontrastiv ins Verhältnis zu Charles Ives' Sinfonie Nr. 4 (1919/16) -- der sogenannten Utopischen Sinfonie -- gesetzt.
       

Dazu gesellte sich als Eröffnungsstück Georg Friedrich Haas' natures mortes für Orchester von 2003, welches sich durch besondere Klarheit und Strukturiertheit -- für gewöhnlich bei Haas zu finden -- auszeichnete. Die drei Sätze begeisterten die zahlreichen Zuschauer geradezu, wobei der bläserdominierte erste Satz herrliche Stakkati der Bläser und Streicher mit massiven Schlagwerklinien verband. Der zweite Satz lässt sich am treffendsten als Minimal-music-Satz bezeichnen und der dritte tastete weitläufige Klangspektren mit monotonen Instrumentenläufen ab.

   
       
    Das darauf folgende Murailstück war typisch für den Komponisten, der an der Uraufführung persönlich teilnahm. Dabei wurde eine recht unrhythmische Klangfläche erzeugt, wobei Dynamik nur durch Lautstärke entstand. Die Tonbandeinspielungen waren unhörbar und das einzig Herausragende war die aufsteigende Schlussfermate.
       

Dass diese Stücke nun einen Kontrast zu Charles Ives Utopischer Sinfonie bildeten, ist unbestritten. Allerdings verwunderte das Motto des Abends: Ives & consequences. Dass der nordamerikanische Komponist, dessen 50. Todestag weiland gefeiert wird (1874-1954), Einfluss auf eine ganze Reihe von Komponisten gehabt hat, will natürlich niemand bezweifeln.

   
       
    Vor allem da der erste Satz der Sinfonie ein parodistisches Feuerwerk der dekonstruierten Marschorchester und Spielmannszüge war. Ausgezeichnet dabei vor allem der Klaviereinsatz, realisiert von Thomas Larcher, und die donnernden Schlagwerker. Zudem kam der Kammerchor Peter Schwarz in diesem Satz zum Einsatz. Der zweite Satz war demgegenüber fast romantisch. Er erinnerte in seiner Ruhe an Filmmusik, wogegen der dritte Satz mit einer rhythmischen Basis teilweise recht schräg wirkte. Hier beweist ein Komponist, wieweit die künstlerischen Experimente des expressionistischen Jahrzehnts in der Komposition ihr Terrain abstecken und statt Sprachverwirrung eine Klangverwirrung erzeugen.
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter Sylvain Cambreling führte dabei souverän durch den Abend und hat den stürmischen Beifall in jedem Fall verdient.
       
     
© by MaW, 21. März 2004