|
|
|
|
Der
Brenner, ein kriminalistischer Pass
Wolf Haas legt mit dem
Knochemann einen "landschaftlichen" Detektivroman
vor, sprachliche Eigenheiten und Leseerlebnisse von MaWozniak, 28.
Januar 2006
Haas, Wolf: Der Knochenmann. Reinbek: Rowohlt 1997, 154 S. (= rororo thriller)
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Dieser Text
ist wirklich ein Knüller. Die Story ist gut, die Charaktere
echt und die Sprache einfach klasse. Hier wird vor allem "landschaftlich"
- wie der Duden immer sagt - geredet. Dieser Begriff war mir im
Duden schon immer ein Rätsel, in Haas' Text könnte ich
ihn verstehen. Es handelt sich bei "landschaftlich" eben
um einen in der hochdeutschen Schriftsprache widergegebenen Dialekt,
der sich nicht nur durch Wörter und Begriffe auszeichnet, wie
der Duden durch die Kennzeichnung von Wörtern als "landschaftlich"
suggeriert. Kennzeichen von Haas' Text sind also nicht die wenigen
landschaftlichen Begriffe, wie Hendl, Keuche (116) oder so, sondern
die Syntax: Konsequent wird bei der kausalen Konjunktion "weil"
die Stellung des Verbs an zweiter Stelle beibehalten. "Weil
das muß für einen Hund sein wie für unsereinen"
(89) Zum anderen finden wir die Konjunktionen "wie" und
"wo" anstelle von "als". Weiterhin gibt es zahlreiche
Sätze, in denen das Kopulaverb gespart wird und einige neue
Verben als Modalverben verwendet werden, also ohne das obligatorische
"zu" in Infinitivkonstruktionen. Ein charakteristisches
Merkmal des östereichischen Dialekts ist die besondere Kennzeichnung
von Nicht-Definitheit. Das heißt, dass z. B. bei Stoffsubstantiven
und Eigennamen noch extra ein bestimmter und manchmal bei Substantiven
ein unbestimmter Artikel hinzugefügt wird. Dadurch sind die
Eigenarten des Österreichischen zu erkennen und es ergeben
sich natürlich auch schon sprachliche Parallelen z. B. zu Jelinek.
Der Text liest sich insgesamt flüssig und ist keine bisschen
peinlich oder manieriert, allein das fantastische Spracherlebnis
lohnt die Lektüre.
|
|
|
|
|
Die Handlung
ist aber auch nicht ohne: Privatdetektiv Brenner kommt beim Löschenkohl
an, einem ehemaligen Buschenschank und jetzt größte Hendlstation
der Oststeiermark. Er ist von der Chefschwiegertochter engagiert
worden, ohne zu wissen, worum es geht. Nun fängt die Ermittlungsarbeit
an, über die nicht seitenlang, sondern höchstens mal beiläufig
reflektiert wird (z. B. an der Stelle mit dem Denken und Grübeln,
102f.). Der Leser geht mit dem Brenner zu allen möglichen Ereignissen,
zum Fußballspiel nach Klöch, zur Kaffeefahrt nach Slowenien,
ins Bordell Borderline, nach Wien zur Edelhure, nach Graz ins Schuhgeschäft,
nach Graz zur Vernissage usw. usf. Die scheinbar unmotivierten Episoden
verfolgen mehrere Spuren in einem Mordfall gleichzeitig. An jeder
Station tauchen neue Indizien auf, ständig verschwinden Personen
und alles verwirrt sich immer mehr. Dabei werden dem Leser auf amüsante
Art der Alltag, die Empfindungen und Reflexionen des Detektivs und
seine originellen Ermittlungsmethoden vorgeführt: z. B. Leute
befragen, indem man nie direkt fragt; weghören, um im richtigen
Moment zuzuhören.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Dadurch ergeben
sich komische Situationen, die wichtiger sind, als die Handlung
selbst. Diese, also der Kriminalfall, wird aber souverän gelöst.
Eigentlich bleiben keine Fragen offen, aber auch das Gute siegt
nicht einfach so. Denn über allem, auch über der Gerechtigkeit
und der Polizei, steht der Brenner, der zwar alles zu verstehen
scheint, das aber auch erst so nach und nach. Das gelingt ihm nicht
durch langweiliges Ermitteln, sondern sozusagen in Extremsituationen.
Hier wird kein normatives Weltbild transportiert, in dem das Gute
einfach siegt, sondern ein durchlässiges, welches höchsten
dem Brenner Souveränität zugesteht. Aber Brenner, dieser
kriminalistische Pass, ist auch nicht so ganz integer. Es werden
ständig die Schwächen, die unmöglichen (aber auch
menschlichen) Regungen und idiotischen Handlungen Brenners vorgeführt
und ironisiert. Zusätzlich wird oftmals in einer Traumwelt
oder in Übertreibungen agiert, wobei die Grenze zur Wirklichkeit
des Textes nicht mehr erkennbar ist, also eindeutige Merkmale der
phantastischen Literatur.
|
|
|
|
|
In der Erzählweise
es gibt keinen allwissenden oder auktorialen Erzähler, sondern
einen Mix. Oftmals taucht ein "Ich" auf, manchmal ein
"Wir", aber meistens nur im Kommentar zu Brenners Gedanken
und Motivationen. Manchmal ist der Erzähler mit Brenner
einer Meinung, manchmal nicht. Diese abwechslungsreiche
Erzählweise ist natürlich souverän und selten angreifbar.
Die Ironie ist latent, also nicht unmittelbar zu erkennen, eben
weil es keine durchgängige Erzählhaltung gibt. Das wirkt
sich im Hinblick auf die Handlung selbst gut aus, weil auch nicht
gegenteilig eine realistische Erzählhaltung oder so etwas angestrebt
wird. Vielmehr wirken dadurch auch Reflexionen über allgemeine
Dinge nicht aufgesetzt, sondern ziemlich authentisch, vielleicht
gerade weil sie witzig sind. Manchmal sind sie auch sehr scharf,
so dass verständlich wird, dass der Text als Groteske bezeichnet
worden ist. Im Vordergrund steht die Unterhaltung durch Spannung
und Komik. Spannend ist der Text auch, durch die verschiedenen Episoden
und durch die Indizien, die erst im Finale zusammengeführt
werden. Einige Indizien oder Fakten bleiben bei den stufenweisen
Kombinationen offen, um auch in der Auflösung die Spannung
aufrecht zu erhalten.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Insgesamt bietet
der Text Der Knochemann von 1997 ein spannendes und unterhaltsames
Leseerlebnis, welches durch ironische Kommentare zu verschiedenen
Themen durchaus als Satire gelesen werden kann. Innerhalb des Genres
handelt es sich um einen Spitzenkrimi, oder besser Detektivgeschichte,
die weniger musterhaft denn originell ist. Trotzdem könnten
sich einige Krimiautoren hieran ein Beispiel nehmen.
|
|
|
|
|
|
|
|
|